German Culture and Politics


Wednesday, March 28, 2007

F.A.Z.-Kommentare - Politik - FAZ.NET - Kommentar: Die Kanzlerin glänzt, der Rest nicht

F.A.Z.-Kommentare - Politik - FAZ.NET - Kommentar: Die Kanzlerin glänzt, der Rest nicht

Die Kanzlerin glänzt, der Rest nicht

Von Alltägliche Schwächen bringen die Union um den sicheren Erfolg.

28. März 2007
Fast eineinhalb Jahre im Amt - und noch ist ihr kein Fehler nachzuweisen. Bundeskanzlerin Merkel hat eine gute Bilanz. In der Außenpolitik eilt sie von einem Erfolg zum anderen, zuletzt beim EU-Gipfel und bei den Berliner Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge. Nirgends werden ihr auf der internationalen Bühne Ungeschicklichkeiten, gar Tritte in die vielen bereitstehenden Fettnäpfchen nachgesagt. In der Innenpolitik reiht sich ein Reformgesetz an das andere: Föderalismusreform, Gesundheitsreform, Rentenreform und so weiter. Wenn es hakt, zeigt niemand mit dem Finger auf die Kanzlerin; in die Kritik geraten immer andere, Minister vor allem, bisweilen Fraktionssprecher, manchmal Ministerpräsidenten.

Das alles wäre nicht aufregend, hätte die Eineinhalbjahresbilanz der Kanzlerin, die zugleich CDU-Vorsitzende ist, nicht einen Makel: Die Union ist trotz allem über ihren Ausgangspunkt, das Ergebnis der Bundestagswahl 2005, nicht hinausgekommen. Die Aussicht, den ungeliebten Regierungspartner SPD abzuhängen und nach der nächsten Wahl eine Koalition mit einer handzahmeren Partei schließen zu können, ist nicht besser geworden. Da ist es ein schwacher Trost, dass die SPD noch schlechter dasteht als nach dem letzten Schröder-Wahlkampf.

Was läuft falsch in der Union, was vereitelt ihre Entfaltung, was verhindert, dass sich die Arbeitsergebnisse der Kanzlerschaft in steigender Wählerzustimmung niederschlagen? Die jüngste Ausrede von CDU-Abgeordneten, die Union leide unter den Führungsquerelen in der CSU, zieht nicht, denn Stoibers Sturz hat die Umfragewerte der Union nicht purzeln lassen; sie waren vorher und nachher auf einem ähnlichen Stand. Der ist zwar der höchste aller deutschen Parteien, verheißt aber eben nicht den Ausbruch aus der großkoalitionären Gefangenschaft.

Die mangelnde Ausstrahlung der Unionsarbeit ist nicht mit vereinzelten aufsehenerregenden Ereignissen zu erklären, sondern mit den zu wenig beachteten Schwächen des Alltagsgeschäfts. In der Viererbeziehung zwischen Kanzlerin samt Ministern, der Bundestagsfraktion und den Parteiorganisationen von CDU und CSU knackt es wie in einer schlechten Telefonleitung. Das fängt in der Ministerriege an. Die Kanzlerin demonstriert Einigkeit mit den sozialdemokratischen Ministern Müntefering und Steinbrück oder stärkt Gabriel unter Hinweis auf den Koalitionsvertrag den Rücken. Kabinettskollegen aus der Union wird die sichtliche Nähe zur Bundeskanzlerin vorenthalten. Das hat bei Schäuble und Seehofer biographische Gründe: Beide empfand Frau Merkel einst als Gegenspieler. Jung, Frau Schavan und Glos gelten als die Abgesandten starker Landesverbände beziehungsweise der Schwesterpartei. Handverlesen hat die Kanzlerin nur die Familienministerin von der Leyen und den Kanzleramtsminister de Maizière. Doch Eigengewächse haben es auch unter dem Schirm der Kanzlerin nicht immer leicht.

Unter dieser Erfahrung leidet auch die Bundestagsfraktion, die von ihrer früheren Vorsitzenden Merkel dem gegenwärtigen Vorsitzenden Kauder nur anvertraut zu sein scheint. Kauders Werdegang verstärkt diesen Eindruck: Erst hat er im Auftrag der Chefin die Partei dienstbar gemacht, dann wurde er der Fraktion vorgesetzt, um Ordnung zu halten. Erst langsam vermag Kauder zu beweisen, dass er Eigengewicht hat wie Dregger und Schäuble zu Zeiten des Kanzlers Kohl. Sein Partner Struck führt ihm täglich vor, wie man als Fraktionsvorsitzender der wichtigste Mann seiner Partei im Parlament sein kann.

Da fällt die Alltagsschwäche der Unionsfraktion erst recht auf: Obwohl sie nur fünf Bundesminister stellt, sind keine fünf Leute in der Fraktion geblieben, die mit Sicherheit das Zeug zu auch in der Außendarstellung erfolgreichen Ministern hätten. Würde die Kanzlerin eines Tages von den SPD-Ministern verlassen, könnte die Fraktion nicht einmal für den Übergang einen Außen- oder einen Finanzminister stellen. Dies wissen die 225 Abgeordneten der Union, und dennoch erfüllt sie die Konsequenz mit Unmut. Sie ärgern sich, dass "ihre" Finanzpolitik nicht von ihnen gemacht wird, sondern vom hessischen Ministerpräsidenten Koch, der seit den Koalitionsverhandlungen die Feder führt. Auch für das Großthema Sozialpolitik ist die Fraktion bis auf weiteres auf Landespolitiker wie Rüttgers und Laumann angewiesen. Selbst im Teilbereich Gesundheitspolitik mussten den Fraktionsfachleuten immer wieder andere zu Hilfe eilen. In der Familienpolitik schließlich hatte es die Fraktion hinzunehmen, dass Ministerin von der Leyen, die "nicht einmal" ein Bundestagsmandat hat, ein Konzept in die Öffentlichkeit trug, auf das sich die Fraktion nicht geeinigt hatte.

Das unangenehme Knacken setzt sich in der Verbindung zu den Parteiorganisationen vernehmlich fort. CDU-Generalsekretär Pofalla tritt in der Regel als Herold der Kanzlerin auf, ohne dass je klar würde, ob er in gleichem Maße auch der Fürsprecher der Basis bei der Parteivorsitzenden ist. Doch die CDU-Abgeordneten, die zum Beispiel ein anderes familienpolitisches Leitbild hochhielten als die Ministerin, haben das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gegen den Willen der Wortführer in ihren Wahlkreisen getan. Der Vorstoß der Familienministerin geht an großen Teilen der CSU vorbei, auch wenn der Nochparteivorsitzende Stoiber in seiner Restamtszeit der Partei und dem Freistaat jegliche Modernisierung überzustülpen bereit sein wird. Auch so drückt sich Torschlusspanik aus.

Die Kanzlerin wird mit großem persönlichen Einsatz das Ansehen der Unionsriege im Kabinett und in der Bundestagsfraktion aufpolieren müssen. Wenn schon ihr parlamentarischer Vorsprung gegenüber der SPD schrumpft, dann muss wenigstens die Rüstung glänzen, bevor es in den Wahlkampf geht.

Text: F.A.Z., 28.03.2007, Nr. 74 / Seite 1

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