Bücher - Feuilleton - FAZ.NET - Ehrenbürger Berlins: Biermanns dichterische Freiheit
26. März 2007 Von heute an und sein Leben lang darf Wolf Biermann umsonst mit der U-Bahn, den Metro-Bussen und den rumpelnden Straßenbahnen durch Berlin fahren. Denn heute wird der Dichtersänger und Dissident Ehrenbürger dieser Stadt. Die Sache mit den Bussen wissen wir von Heinz Berggruen, dem vor Biermann zuletzt geehrten hervorragenden Bürger.
So diskret ironisch und unaufgeregt wie damals, im Juli 2004, wird es dieses Mal nicht zugehen. Der Streit um die Ehrenbürgerschaft Biermanns hatte die Stadt, zum ersten Mal seit einer langen Zeit der politischen Agonie, in zwei Lager geteilt. Keinesfalls gleich starke Lager, wie der Ausgang der Geschichte uns vorgeführt hat. Und keinesfalls, wie viele befürchteten, zum Schaden Biermanns. Denn fast immer führen derart öffentliche Debatten um Preisträger und Ehrentitel zu einer Beschädigung des zu Ehrenden. Hier aber trat das Gegenteil ein.
Wofür er steht
Mit Wolf Biermann wird nicht nur ein großer Künstler geehrt, sondern alles, wofür er steht: Zivilcourage in dunkler Zeit; die Freiheitsgeschichte Berlins, die er in seinen Liedern besingt; die Erinnerung an die Mauerjahre, die seine Gegner (die auch gegen die Ehrung waren) gern vergessen machen würden, und die Bürgerbewegung des Ostens, deren unumstrittener Protagonist er immer noch ist.
Das Ja oder Nein zum streitbaren Biermann hatte dem Bürgermeister von Berlin und seinem Zirkel eine erste kapitale Krise beschert, die außer Kontrolle geriet, als sich jeder, der politischen Verstand besaß, gegen Wowereit stellte, darunter auch viel Prominenz, Minister, Bundestagsabgeordnete, ehemalige Präsidenten und zu guter Letzt die Mehrheit der eigenen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Für oder gegen Biermann sein hieß wieder einmal, sich politisch zu bekennen. Dass die Gegner als Minderheit übrigblieben, zumal im Verein mit den Unbelehrbaren aus dem Reservat der PDS, gehörte zum Besten, was der Stadt in letzter Zeit geschehen ist. Hier wurde endlich einmal eine Stimmung offensichtlich, die normalerweise immer weggebügelt wird: Der Unmut darüber, dass Berlin politisch im Großen und Ganzen und kulturpolitisch im Besonderen wie der letzte Krähwinkel regiert wird.
Vernichtendes Urteil
Ehrenbürger wird man nicht per Volksentscheid, sondern auf Beschluss des Senates. Nicht selten hatte man sich in der Vergangenheit auf einen Ehrenbürger nach parteipolitischem Proporz geeinigt. Natürlich nicht bei Heinz Berggruen, auch nicht bei Marlene Dietrich, der man diese Ehre erst postum erwies, weil sie nach unguten Erfahrungen beschlossen hatte, zu Lebzeiten nicht wieder in diese Stadt zu kommen.
Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister wird sich heute, wenn er seine Ruhmesrede auf Biermann hält, mächtig anstrengen müssen. Es ist bekannt, dass er diese Ehrung verhindern wollte. Dass aber Wolf Biermann nun, kurz vor dem Fest, das sein Triumph sein soll, noch einmal kräftig zulangen muss, als stünden am nächsten Sonntag Wahlen an, irritiert nicht nur die Gescholtenen. Auf der Buchmesse in Leipzig wiederholte er sein vernichtendes Urteil zum rotroten Senat und prophezeite ihm den baldigen Untergang: „Ich finde es verbrecherisch, dass die SPD mit der PDS ins Bett geht.“ Das hat er schon besser gedichtet.
Text: F.A.Z., 26.03.2007, Nr. 72 / Seite 40
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