Die große Koalition hat sich nach zähem Ringen auf einen Kompromiss bei der Gesundheitsreform verständigt. CSU-Chef Edmund Stoiber stellte die Beschlüsse aber gleich unter den Vorbehalt einer Prüfung.
Die Spitzenrunde habe sich auf eine weit reichende Reform verständigt, die das deutsche Gesundheitswesen umgestalten werde, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am frühen Donnerstagmorgen nach einer mehr als siebenstündigen Verhandlungsrunde in Berlin. Die Koalitionsspitzen vereinbarten, den geplanten Gesundheitsfonds - das Kernstück der Reform - nicht wie geplant 2008 sondern erst zum 1. Januar 2009 einzuführen.
Zudem soll die von der Union heftig kritisierte Ein-Prozent-Grenze für die Zusatzprämie der Kassen beibehalten werden. SPD-Chef Kurt Beck sagte, es handele sich nicht nur um einen vertretbaren sondern um einen guten Kompromiss.
Um unverhältnismäßige regionale Belastungen durch den Gesundheitsfonds zu vermeiden, sollen die unterschiedlich verteilten Be- und Entlastungen zwischen den Ländern allmählich angeglichen werden. Vor allem Bayern und Baden-Württemberg hatten die Befürchtungen geäußert, dass von den eher reichen Kassen im Süden Milliardensummen an ärmere Kassen abfließen. Stoiber zeigte sich mit dieser und den anderen Regelungen zufrieden. Da jedoch nicht alle Details schon abschließend geprüft werden könnten, müssten die Beschlüsse unter einem grundsätzlichen Vorbehalt stehen und im Gesetzgebungsverfahren genau geprüft werden. Stoiber sprach von der größten Systemumstellung der vergangenen Jahre.
Private Kassen bleiben
Einen Kompromiss fanden Union und SPD auch bei der Umgestaltung der privaten Krankenversicherung. So sollen freiwillig gesetzlich Versicherte und ehemalige Privatversicherte in einen privaten Basistarif eintreten können. Darüber hinaus können Privatversicherte künftig leichter den Anbieter wechseln, indem angesparte Altersrückstellungen mitgenommen werden können. Ein Wechsel von der privaten zur gesetzlichen Krankenversicherung, wie ihn die SPD wollte, wird es laut Merkel nicht geben.
Die Überforderungsklausel, die die Patienten vor zu hohen Zuzahlungen schützen soll, bildete bis zuletzt den Hauptstreitpunkt zwischen Union und SPD. Die Prämie können Kassen erheben, die mit dem ihnen zugewiesenen Geld aus dem Fonds nicht auskommen. Die SPD konnte sich mit ihrer Forderung durchsetzen, dass die Obergrenze bei einem Prozent des Haushaltseinkommens liegen muss. Der Kompromiss sieht allerdings vor, dass zusätzliche Beiträge bis zu 8 Euro ohne Einkommensprüfung von einer Kasse erhoben werden dürfen.
Merkel hofft auf Überschuss
Merkel äußerte die Hoffnung, dass die meisten Kassen ganz ohne einen solchen Betrag auskommen werden oder ihren Versicherten gar Abschläge zurückerstatten können. Die Prämien gäben Auskunft darüber, ob eine Kasse wirtschaftlich arbeite, sagte die CDU-Chefin.
Umstritten war bis zuletzt auch die Gestaltung des Finanzausgleichs, durch den Kassen mit vielen kranken und alten Mitgliedern Geld von finanzstärkeren Konkurrenten erhalten sollen. Auf Druck der Union wurde dieser Risikostrukturausgleich abgeschwächt. Er soll sich nun an 50 bis 80 Krankheiten orientieren und zeitgleich mit dem Fonds starten.
Aus den Reihen der Regierungschefs war in den vergangenen Wochen scharfe Kritik an den von den Koalitionsspitzen vereinbarten Eckpunkten laut geworden. Durch den Streit war das schwarz-rote Regierungsbündnis erheblich belastet worden.
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